Sale: 570 / Evening Sale, June 06. 2025 in Munich
Lot 125000163

125000163
Gerhard Richter
Abstraktes Bild, 1989.
Oil on canvas
Estimate:
€ 1,500,000 - 2,500,000
$ 1,575,000 - 2,625,000
Information on buyer's premium, taxation and resale right compensation will be available four weeks before the auction.
Abstraktes Bild. 1989.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert, datiert und mit der Werknummer "704-3" bezeichnet. 72 x 62 cm (28,3 x 24,4 in). [JS].
• Wegweisendes "Abstraktes Bild" aus Richters erstmals vom Einsatz des Rakels dominierter und gefragtester Schaffenszeit (1986–1990).
• Herausragende Qualität und Dichte qualifizieren diese Werkphase als die "ausgereifte" der "Abstrakten Bilder".
• Seltene, frühlingshaft-leuchtende Farbpalette innerhalb dieser bedeutenden Schaffenphase.
• Spannungsvolle Symbiose aus horizontalen Farbstrukturen und vertikalen Akzenten, aus Rakel und Pinsel, Kalkül und Zufall.
• Landschaftlich inspiriertes Kompositionsprinzip, wieder aufgegriffen u. a. im Zyklus "Wald" (2005, Museum of Modern Art, New York).
• Gemälde dieser Werkphase befinden sich u. a. in den Sammlungen des Museum of Modern Art, New York, des San Francisco Museum of Modern Art, und der Tate Modern, London.
PROVENIENZ: Galerie Fred Jahn, München.
Privatsammlung Süddeutschland (1991 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Hessen (seit 2014 durch Schenkung vom Vorgenannten).
AUSSTELLUNG: Gerhard Richter. Fotoeditionen, Aquarelle und Bilder, Galerie Jahn und Fusban, München 1991.
LITERATUR: Dietmar Elger, Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 4: 1988-1994, Ostfildern 2015, WVZ-Nr. 704-3 (m. Farbabb. S. 259).
"Seine Abstrakten Bilder haben um 1990 eine malerische Dichte und Ernsthaftigkeit erreicht, die wie ein Nachhall auf die melancholische Stimmung des Oktober-Zyklus wirken."
Dietmar Elger, zit. nach: Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 4: 1988-1994, Ostfidlern 2015, S. 34.
"Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben [..] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder. "
Gerhard Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.
Öl auf Leinwand.
Verso signiert, datiert und mit der Werknummer "704-3" bezeichnet. 72 x 62 cm (28,3 x 24,4 in). [JS].
• Wegweisendes "Abstraktes Bild" aus Richters erstmals vom Einsatz des Rakels dominierter und gefragtester Schaffenszeit (1986–1990).
• Herausragende Qualität und Dichte qualifizieren diese Werkphase als die "ausgereifte" der "Abstrakten Bilder".
• Seltene, frühlingshaft-leuchtende Farbpalette innerhalb dieser bedeutenden Schaffenphase.
• Spannungsvolle Symbiose aus horizontalen Farbstrukturen und vertikalen Akzenten, aus Rakel und Pinsel, Kalkül und Zufall.
• Landschaftlich inspiriertes Kompositionsprinzip, wieder aufgegriffen u. a. im Zyklus "Wald" (2005, Museum of Modern Art, New York).
• Gemälde dieser Werkphase befinden sich u. a. in den Sammlungen des Museum of Modern Art, New York, des San Francisco Museum of Modern Art, und der Tate Modern, London.
PROVENIENZ: Galerie Fred Jahn, München.
Privatsammlung Süddeutschland (1991 vom Vorgenannten erworben).
Privatsammlung Hessen (seit 2014 durch Schenkung vom Vorgenannten).
AUSSTELLUNG: Gerhard Richter. Fotoeditionen, Aquarelle und Bilder, Galerie Jahn und Fusban, München 1991.
LITERATUR: Dietmar Elger, Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 4: 1988-1994, Ostfildern 2015, WVZ-Nr. 704-3 (m. Farbabb. S. 259).
"Seine Abstrakten Bilder haben um 1990 eine malerische Dichte und Ernsthaftigkeit erreicht, die wie ein Nachhall auf die melancholische Stimmung des Oktober-Zyklus wirken."
Dietmar Elger, zit. nach: Gerhard Richter. Catalogue raisonné, Bd. 4: 1988-1994, Ostfidlern 2015, S. 34.
"Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben [..] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder. "
Gerhard Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.
Richters "Abstrakte Bilder" – Die malerische Vollendung eines Jahrhundertwerkes
"Irgendwann ist eben Ende", lauten die unprätentiösen Worte, mit denen Gerhard Richter 2020 das Ende seines malerischen Schaffens verkündet. Richter hat entschieden, dass sein vor allem durch den perfektionierten Einsatz des Rakels geprägtes Œuvre nun zu seinem offiziellen Ende gekommen ist. "Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt." (Zit. nach: Zeit Online, 22.9.2020) Richter möchte nun, da das Malen mit dem Rakel, dem großen, spachtelartigen Farbschieber, körperlich zu anstrengend geworden ist, nur noch Papierarbeiten in kleinem Format schaffen. Wer einmal "Gerhard Richter Painting" gesehen hat, den 2011 erschienenen Dokumentarfilm von Corinna Belz über den seit Jahrzehnten unangefochtenen Superstar der internationalen Kunstszene, dem gehen die dort festgehaltenen Atelierszenen nicht mehr aus dem Kopf: Sie zeigen einen hochkonzentrierten künstlerischen Schaffensprozess, dessen nahezu geräuschlose Choreografie einem unvorhersehbaren Drehbuch im Geiste des Künstlers zu folgen scheint. Jeder Arbeitsschritt wird mit höchster Präzision vorausgedacht, auch wenn er in seinem Ergebnis, dem stets individuellen Farbverlauf nach Einsatz des Rakels, zumindest in weiten Teilen unvorhersehbar und damit – nur scheinbar paradox – das Produkt eines kalkulierten Zufalls ist. In seinen legendären "Abstrakten Bildern" hat Richter künstlerisches Kalkül und Zufall in eine perfekte, immer wieder aufs Neue fesselnde Balance gebracht und auf diese Weise seine einzigartige künstlerische Handschrift gefunden. Faszinierend ist dabei auch das fortwährende Zusammenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion: Der vorhandene Farbauftrag muss erst viele Male "zerstört“ werden, um schließlich einem neuen ästhetischen Eindruck Raum zu geben. Richter ist ein gnadenloser Perfektionist, was seinem geschulten Auge nicht standhält, und sei es nur ein minimales Ungleichgewicht in der Komposition oder eine geringfügige Disbalance im Farbverlauf, wird entweder mit höchster Präzision und unter maximalem Einsatz zur Vollendung gebracht oder konsequent verworfen. Das international gefeierte Ergebnis dieses faszinierenden Arbeitsprozesses ist ein extrem vielseitiges und konstant hochkarätiges malerisches Œuvre, das ausgehend von Werkverzeichnis Nummer 1 "Der Tisch" (1962), Richters erstem schwarz-weißen Fotogemälde, mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt und hinsichtlich seiner Vielseitigkeit, künstlerischen Qualität und kunsthistorischen Würdigung wohl allein mit dem Jahrhundert-Œuvre Pablo Picassos vergleichbar ist.
Richters Höhepunkt – Der legendäre Oktober-Zyklus (1988) und die reifen "Abstrakten Bilder“
Der 1988 entstandene und für die Sammlung des Museums of Modern Art, New York, angekaufte Gemäldezyklus "18. Oktober 1977" (sog. Oktober-Zyklus bzw. RAF-Zyklus) gilt heute als ikonisches Werk und stellt eine bedeutende Zäsur in Richters Schaffen dar. Dem damals 56-jährigen Künstler ist klar, dass es nach diesen fünfzehn schwarz-weißen Fotogemälden, die nach Pressefotos verschleierte Fragmente des Lebens und Sterbens der tot in ihren Gefängniszellen aufgefunden Terroristen der Baader-Meinhoff-Gruppe zeigen, mehr als schwierig sein würde, wieder zu den bereits zuvor begonnenen "Abstrakten Bildern" zurückzukehren. "Ich merke auch, dass diese Bilder einen neuen Maßstab setzen, Ansprüche an mich stellen. Ich kann mich jetzt täuschen. [...] Aber dass es mir schwer fällt, jetzt weiter zu malen, das habe ich schon gemerkt." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). Die ersten "Abstrakten Bilder", die im Anschluss entstehen, zeigen meist kompakt gerakelte Oberflächen in bleiernen Grauwerten und düsteren Schwarz-Weiß-Kontrasten. Diese eindrucksvollen und außergewöhnlich dichten Schöpfungen werden nun vorrangig von einer melancholischen Stimmung und dem Einsatz des Rakels beherrscht. Der Pinsel spielt fortan nur noch eine untergeordnete Rolle und wird meist nur für den Auftrag der Grundierung und die partiellen Vermalungen der Farbschichten genutzt. Ab jetzt ist der flächige Einsatz des Rakels das entscheidende Charakteristikum seiner Malerei. Richter ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als er Ende der 1980er Jahren auf sein vollkommen einzigartiges, in sanfte Unschärfe getauchtes, fotobasiertes Schwarz-Weiß-Frühwerk seine nun ausgereiften "Abstrakten Bilder" folgen lässt. Die Kunstgeschichte und Richter selbst haben die "Abstrakten Bilder" der späten 1980er Jahre aufgrund ihrer herausragenden Qualität und Dichte als erwachsen oder "mature", also als ausgereift, qualifiziert. Ihre faszinierend neuartige Ästhetik sichert Richter fortan wachsende internationale Anerkennung.
"Abstraktes Bild" (1989) – Kraftvolles Bekenntnis des Aufbruchs und Neuanfangs
Wie aus dem Nichts findet Richter in dieser bedeutenden Schaffensphase aus einer längeren Werkfolge von dunklen, schwermütigen Arbeiten, die teils Titel wie "Grat" (Collection Ruth and Ted Baum, Palm Beach), "Uran" (Privatsammlung Köln) oder "Dezember" (The Saint Louis Art Museum, Saint Louis) tragen, in einer kleinen Werkreihe, zu der das vorliegende Gemälde zählt, zu einer wie befreit wirkenden, leuchtenden Farbigkeit. Die vorliegende Komposition ragt innerhalb dieser Werkgruppe aber nicht nur aufgrund ihrer kraftvoll-frühlingshaften und fein nuancierten Farbigkeit heraus, sondern auch wegen ihrer außergewöhnlichen kompositionellen Stärke und Klarheit. Die spannungsvolle Symbiose aus flächig-horizontaler Rakelstruktur und akzentuierenden Vertikalen erscheint wie ein Ausblick auf die "Abstrakten Bilder" der frühen 1990er Jahre, in denen Richter über die horizontale Farbverschiebung des Rakels strenge vertikale Linien mit dem Spachtel legt, oder auch auf den berühmten Werkzyklus "Wald" (2005, Museum of Modern Art, New York), in dem Richter ebenfalls das landschaftliche Kompositionsprinzip aus Horizontalen und Vertikalen für eine herausragende Komposition nutzt. Die frische und kraftvolle Farbigkeit, durch den flächigen Einsatz des Rakels geheimnisvoll entrückt und scheinbar in gleißendes Licht getaucht, erscheint wie ein frühlingshaftes Erweckungserlebnis der Natur, die Bild gewordene Stimmung eines erwartungsvollen Aufbruchs und kraftvollen Neuanfangs. Obwohl Richter seinen "Abstrakten Bildern", wie auch unserer reifen Komposition, in der Regel keine beschreibenden Titel mitgegeben hat, ist das subtile optische Spiel mit der gegenständlich geprägten Wahrnehmung der Rezipienten doch all seinen abstrakten Schöpfungen inhärent. Richter selbst hat dieses fesselnde Oszillieren einmal wie folgt beschrieben: "Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben, mit klagenden, freudigen, schrillen oder zarten. [...] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder." (G. Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.). Nicht etwa nur die Wahrnehmung der Betrachter wie auch Richters Farbigkeit und Kompositionsprinzipien orientieren sich aber am Vorbild der Natur, sondern auch der zeitintensive, teils über viele Monate reichende Entstehungsprozess seiner "Abstrakten Bilder", der einem natürlichen, über die Zeit und die Prozesse des Werdens und Vergehens geformten, rational nicht abschließend zu durchdringenden Entstehungsprozess gleicht: "Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich also aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur […] immer hat." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). 2020 ehrte das Metropolitan Museum of Art in New York das epochale Schaffen des deutschen Ausnahmekünstlers mit der großen Einzelausstellung "Gerhard Richter – Painting after all", welche ebenso wie die bereits mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Retrospektive "Gerhard Richter. Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art (2002) und die Retrospektive in der Tate Modern "Gerhard Richter: Panorama" (2013/14) den großen Bogen von Richters schwarz-weißen Fotogemälden hin zu seinen legendären, abstrakten Rakelbildern spannte. [JS]
"Irgendwann ist eben Ende", lauten die unprätentiösen Worte, mit denen Gerhard Richter 2020 das Ende seines malerischen Schaffens verkündet. Richter hat entschieden, dass sein vor allem durch den perfektionierten Einsatz des Rakels geprägtes Œuvre nun zu seinem offiziellen Ende gekommen ist. "Das ist nicht so schlimm. Und alt genug bin ich jetzt." (Zit. nach: Zeit Online, 22.9.2020) Richter möchte nun, da das Malen mit dem Rakel, dem großen, spachtelartigen Farbschieber, körperlich zu anstrengend geworden ist, nur noch Papierarbeiten in kleinem Format schaffen. Wer einmal "Gerhard Richter Painting" gesehen hat, den 2011 erschienenen Dokumentarfilm von Corinna Belz über den seit Jahrzehnten unangefochtenen Superstar der internationalen Kunstszene, dem gehen die dort festgehaltenen Atelierszenen nicht mehr aus dem Kopf: Sie zeigen einen hochkonzentrierten künstlerischen Schaffensprozess, dessen nahezu geräuschlose Choreografie einem unvorhersehbaren Drehbuch im Geiste des Künstlers zu folgen scheint. Jeder Arbeitsschritt wird mit höchster Präzision vorausgedacht, auch wenn er in seinem Ergebnis, dem stets individuellen Farbverlauf nach Einsatz des Rakels, zumindest in weiten Teilen unvorhersehbar und damit – nur scheinbar paradox – das Produkt eines kalkulierten Zufalls ist. In seinen legendären "Abstrakten Bildern" hat Richter künstlerisches Kalkül und Zufall in eine perfekte, immer wieder aufs Neue fesselnde Balance gebracht und auf diese Weise seine einzigartige künstlerische Handschrift gefunden. Faszinierend ist dabei auch das fortwährende Zusammenspiel von Konstruktion und Dekonstruktion: Der vorhandene Farbauftrag muss erst viele Male "zerstört“ werden, um schließlich einem neuen ästhetischen Eindruck Raum zu geben. Richter ist ein gnadenloser Perfektionist, was seinem geschulten Auge nicht standhält, und sei es nur ein minimales Ungleichgewicht in der Komposition oder eine geringfügige Disbalance im Farbverlauf, wird entweder mit höchster Präzision und unter maximalem Einsatz zur Vollendung gebracht oder konsequent verworfen. Das international gefeierte Ergebnis dieses faszinierenden Arbeitsprozesses ist ein extrem vielseitiges und konstant hochkarätiges malerisches Œuvre, das ausgehend von Werkverzeichnis Nummer 1 "Der Tisch" (1962), Richters erstem schwarz-weißen Fotogemälde, mehr als ein halbes Jahrhundert umspannt und hinsichtlich seiner Vielseitigkeit, künstlerischen Qualität und kunsthistorischen Würdigung wohl allein mit dem Jahrhundert-Œuvre Pablo Picassos vergleichbar ist.
Richters Höhepunkt – Der legendäre Oktober-Zyklus (1988) und die reifen "Abstrakten Bilder“
Der 1988 entstandene und für die Sammlung des Museums of Modern Art, New York, angekaufte Gemäldezyklus "18. Oktober 1977" (sog. Oktober-Zyklus bzw. RAF-Zyklus) gilt heute als ikonisches Werk und stellt eine bedeutende Zäsur in Richters Schaffen dar. Dem damals 56-jährigen Künstler ist klar, dass es nach diesen fünfzehn schwarz-weißen Fotogemälden, die nach Pressefotos verschleierte Fragmente des Lebens und Sterbens der tot in ihren Gefängniszellen aufgefunden Terroristen der Baader-Meinhoff-Gruppe zeigen, mehr als schwierig sein würde, wieder zu den bereits zuvor begonnenen "Abstrakten Bildern" zurückzukehren. "Ich merke auch, dass diese Bilder einen neuen Maßstab setzen, Ansprüche an mich stellen. Ich kann mich jetzt täuschen. [...] Aber dass es mir schwer fällt, jetzt weiter zu malen, das habe ich schon gemerkt." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). Die ersten "Abstrakten Bilder", die im Anschluss entstehen, zeigen meist kompakt gerakelte Oberflächen in bleiernen Grauwerten und düsteren Schwarz-Weiß-Kontrasten. Diese eindrucksvollen und außergewöhnlich dichten Schöpfungen werden nun vorrangig von einer melancholischen Stimmung und dem Einsatz des Rakels beherrscht. Der Pinsel spielt fortan nur noch eine untergeordnete Rolle und wird meist nur für den Auftrag der Grundierung und die partiellen Vermalungen der Farbschichten genutzt. Ab jetzt ist der flächige Einsatz des Rakels das entscheidende Charakteristikum seiner Malerei. Richter ist auf dem Höhepunkt seines Schaffens, als er Ende der 1980er Jahren auf sein vollkommen einzigartiges, in sanfte Unschärfe getauchtes, fotobasiertes Schwarz-Weiß-Frühwerk seine nun ausgereiften "Abstrakten Bilder" folgen lässt. Die Kunstgeschichte und Richter selbst haben die "Abstrakten Bilder" der späten 1980er Jahre aufgrund ihrer herausragenden Qualität und Dichte als erwachsen oder "mature", also als ausgereift, qualifiziert. Ihre faszinierend neuartige Ästhetik sichert Richter fortan wachsende internationale Anerkennung.
"Abstraktes Bild" (1989) – Kraftvolles Bekenntnis des Aufbruchs und Neuanfangs
Wie aus dem Nichts findet Richter in dieser bedeutenden Schaffensphase aus einer längeren Werkfolge von dunklen, schwermütigen Arbeiten, die teils Titel wie "Grat" (Collection Ruth and Ted Baum, Palm Beach), "Uran" (Privatsammlung Köln) oder "Dezember" (The Saint Louis Art Museum, Saint Louis) tragen, in einer kleinen Werkreihe, zu der das vorliegende Gemälde zählt, zu einer wie befreit wirkenden, leuchtenden Farbigkeit. Die vorliegende Komposition ragt innerhalb dieser Werkgruppe aber nicht nur aufgrund ihrer kraftvoll-frühlingshaften und fein nuancierten Farbigkeit heraus, sondern auch wegen ihrer außergewöhnlichen kompositionellen Stärke und Klarheit. Die spannungsvolle Symbiose aus flächig-horizontaler Rakelstruktur und akzentuierenden Vertikalen erscheint wie ein Ausblick auf die "Abstrakten Bilder" der frühen 1990er Jahre, in denen Richter über die horizontale Farbverschiebung des Rakels strenge vertikale Linien mit dem Spachtel legt, oder auch auf den berühmten Werkzyklus "Wald" (2005, Museum of Modern Art, New York), in dem Richter ebenfalls das landschaftliche Kompositionsprinzip aus Horizontalen und Vertikalen für eine herausragende Komposition nutzt. Die frische und kraftvolle Farbigkeit, durch den flächigen Einsatz des Rakels geheimnisvoll entrückt und scheinbar in gleißendes Licht getaucht, erscheint wie ein frühlingshaftes Erweckungserlebnis der Natur, die Bild gewordene Stimmung eines erwartungsvollen Aufbruchs und kraftvollen Neuanfangs. Obwohl Richter seinen "Abstrakten Bildern", wie auch unserer reifen Komposition, in der Regel keine beschreibenden Titel mitgegeben hat, ist das subtile optische Spiel mit der gegenständlich geprägten Wahrnehmung der Rezipienten doch all seinen abstrakten Schöpfungen inhärent. Richter selbst hat dieses fesselnde Oszillieren einmal wie folgt beschrieben: "Die Bilder leben doch von dem Wunsch, etwas darin erkennen zu wollen. Sie zeigen an jeder Stelle Ähnlichkeiten mit realen Erscheinungen, die sich dann aber nicht richtig einlösen lassen. Das ist wie in der Musik: Da werden Stimmungen erzeugt, weil die Töne Ähnlichkeit mit realen Lauten haben, mit klagenden, freudigen, schrillen oder zarten. [...] Sie erinnern immer an irgendetwas, sonst wären es gar keine Bilder." (G. Richter, 1999, zit. nach: Gerhard Richter, Text 1961 bis 2007, Köln 2008, S. 360ff.). Nicht etwa nur die Wahrnehmung der Betrachter wie auch Richters Farbigkeit und Kompositionsprinzipien orientieren sich aber am Vorbild der Natur, sondern auch der zeitintensive, teils über viele Monate reichende Entstehungsprozess seiner "Abstrakten Bilder", der einem natürlichen, über die Zeit und die Prozesse des Werdens und Vergehens geformten, rational nicht abschließend zu durchdringenden Entstehungsprozess gleicht: "Also, diese Arbeitsmethode mit Willkür, Zufall, Einfall und Zerstörung lässt zwar einen bestimmten Bildtypus entstehen, aber nie ein vorherbestimmtes Bild. Das jeweilige Bild soll sich also aus einer malerischen oder visuellen Logik entwickeln, sich wie zwangsläufig ergeben. Und indem ich dieses Bildergebnis nicht plane, hoffe ich, eher eine Stimmigkeit und Objektivität verwirklichen zu können, die eben ein beliebiges Stück Natur […] immer hat." (G. Richter, zit. nach: Catalogue raisonné, Bd. 4, S. 34). 2020 ehrte das Metropolitan Museum of Art in New York das epochale Schaffen des deutschen Ausnahmekünstlers mit der großen Einzelausstellung "Gerhard Richter – Painting after all", welche ebenso wie die bereits mehr als zwanzig Jahre zurückliegende Retrospektive "Gerhard Richter. Forty Years of Painting" im Museum of Modern Art (2002) und die Retrospektive in der Tate Modern "Gerhard Richter: Panorama" (2013/14) den großen Bogen von Richters schwarz-weißen Fotogemälden hin zu seinen legendären, abstrakten Rakelbildern spannte. [JS]
125000163
Gerhard Richter
Abstraktes Bild, 1989.
Oil on canvas
Estimate:
€ 1,500,000 - 2,500,000
$ 1,575,000 - 2,625,000
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