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Blondes Mädchen mit Buch. 1912.
Wir danken Frau Ursula Heiderich, Syke, für die wissenschaftliche Beratung. Die Arbeit wird in das in Vorbereitung befindliche Werkverzeichnis der Gemälde aufgenommen
PROVENIENZ: Sammlung Dr. Dohse, Essen.
Ausstellung: August Macke, Fine Arts Associate Otto M. Gerson, New York, 24.03.-17.04.1952, Kat.Nr. 7, S. 11 (mit Abb., dort unter dem Titel "Girl reading", 1911).
Begeistert von der Malerei Böcklins beginnt August Macke mit 17 Jahren sein Studium an der Kunstakademie und der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf. Für das dortige Schauspielhaus entwirft er in dieser Zeit Dekorationen und Kostüme. 1907 reist Macke nach Paris, wo er die Malerei der Impressionisten sieht, die ihn fasziniert und nachhaltig beeinflusst. Zurück im Kaiserreich geht er nach Berlin und besucht für kurze Zeit die Malschule von Lovis Corinth. Nachdem er 1908 für ein Jahr als Freiwilliger Militärdienst geleistet hat, heiratet der Künstler - nun in Bonn - Elisabeth Gerhardt. 1909 lernt Macke am Tegernsee Franz Marc kennen, mit dem ihn eine lebenslange Künstlerfreundschaft verbinden wird. Mit ihren farbintensiven und großzügigen, flächigen Formen zeigen August Mackes Arbeiten aus dieser Zeit deutlich den Einfluss der Malerei von Henri Matisse und Franz Marc. 1911 schließt sich der Maler der Münchner Künstlergruppe "Der Blaue Reiter" an. Auf einer weiteren Parisreise mit Marc lernt er Robert Delaunay kennen, der ihn seinerseits später in Bonn in Begleitung von Guillaume Apollinaire besucht. Der Künstler setzt sich mit dessen orphistischer Malweise auseinander. Diese farbenfrohe Form des Kubismus beeindruckt ihn nachhaltig.
Unter den vielen Personendarstellungen im malerischen Werk von August Macke nehmen Lesende einen besonders breiten Raum ein. Meist ist es die Frau des Künstlers in ihrer häuslichen Umgebung, die Macke als Modell dient. Traumverloren, wie seine Gestalten oft wirken, sind es besonders die Lesenden, die wie in einer anderen Welt gefangen verweilen. Das kleine blonde Mädchen, hier in einer klassischen Dreieckskomposition gesehen, scheint sich seiner Rolle als Modell sehr bewusst zu sein. Die leicht souveräne Haltung deutet darauf hin. Doch der Eindruck mag täuschen, Macke ging es in seinen Personendarstellungen nicht um die psychologische Ausdeutung der Persönlichkeit, er erfasste die Personen in dem sie umgebenden Raum, dem er sie eher stilllebenhaft zuordnet. So wird das Grundkonzept der Kontemplation nicht gestört, es vermittelt sich direkt und leise.
Die Tunisreise mit Paul Klee und Louis René Moilliet 1914 trägt dazu bei, dass sich Mackes eigener Stil mit leuchtender, intensiver Farbigkeit weiterentwickelt. Im Alter von nur 27 Jahren fällt der Künstler am 26. September 1914 an der Westfront in Frankreich. [KD]Kinderporträts in der modernen Malerei
Die Darstellung von Kindern ist in der Malerei lange Zeit vor allem an religiöse Inhalte gebunden. Reine Porträtdarstellungen finden sich in der italienischen Malerei der Renaissance, sind jedoch vergleichsweise selten und hochrangigen Fürstenhäusern vorbehalten. Diese Tradition des repräsentativen Porträts, das die Kinder als kleine Erwachsene zeigt, wird erst im 19. Jahrhundert modifiziert und schließlich gebrochen.
Vorreiter ist etwa Phillip Otto Runge, der mit seinen „Hülsenbeckschen Kindern“ 1805 alle gesellschaftliche Konvention beiseite lässt (Abb. 1). Gefangen im kindlichen Spiel, treten sie dem Betrachter auf Augenhöhe entgegen und beeindrucken ihn in ihrer monumental aufgefassten Darstellung. Runge verbindet das Porträt mit einer allegorischen Sinngebung über die Entwicklungsstadien des Menschen und weist die Kindheit als eigenständiges, wesentliches Lebensalter aus.
Beispielhaft zu nennen ist etwa das „Porträt des jungen Grafen Conrad von Posern“, gemalt 1851 von Louis Ferdinand von Rayski (Abb. 2). Der früh verstorbene Junge wird in diesem postumen Porträt außerhalb des gesellschaftlichen Rahmens dargestellt, die ganze Aufmerksamkeit des Malers gilt der Person, die das Bild mit einer beeindruckenden Präsenz erfüllt.
Auch abseits der professionellen Porträtmalerei ändert sich der Blickwinkel. Die Individualität und Kindlichkeit der Dargestellten rückt in den Mittelpunkt des Interesses. Gabriele Münters „Mädchen mit Puppe“, entstanden um 1908/09 (Abb. 3), respektiert das Kind als eigenständiges und gleichwertiges Gegenüber und erfasst hier ein Kind in seiner ihm eigenen Selbstversunkenheit und Ernsthaftigkeit in frontaler Monumentalität.
Bei Max Liebermann tauchen Kinder fast ausschließlich im intimen, familiären Zusammenhang auf. Besonders seine 1917 geborene Enkelin Maria Riezler wird zu einem häufigen Modell. Dabei interessieren den Maler die Alltagssituationen, die das Mädchen in natürlichen, kindlichen Posen zeigen. Genannt sei stellvertretend das Gemälde „Enkelin und Kinderfrau auf der Gartenbank“ von 1919 (Abb. 4).
Auch Macke geht es in seiner Darstellung des blonden Mädchens um diese häusliche Intimität und Geborgenheit. Die in seiner Malerei stets präsente Suche nach Harmonie und Schönheit prägt auch unser Bild und erfährt im Medium des Kinderporträts eine besonders überzeugende Lösung. [KR]
Zustand: Von guter und farbfrischer Erhaltung. Feine horizontale Retusche an der Stirn. Winzige Retusche(?) in der rechten oberen Ecke. Vereinzelte unbedeutende rahmungsbedingte Bereibungen in den Kanten. Vereinzeltes kaum merkliches Craquelé in den pastoseren Bereichen.
Öl auf Leinwand.
Vriesen 301. Verso wohl von Elisabeth Erdmann-Macke hs. bezeichnet "August Macke 1911" sowie auf Keilrahmen nochmals von ihr bezeichnet "Lesendes Mädchen auf blauem Sofa 1911". 50 x 71 cm ( 19,6 x 27,9 in).
Auf dem Keilrahmen mit dem Rest eines alten Etiketts, dort hs. bezeichnet "C 323 [Ma]cke Lesende".
Privatsammlung Süddeutschland.
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