Sale: 426 / Rare Books, Nov. 23./24. 2015 in Hamburg Lot 90

 

90
Rudolf Koch
Kriegstagebuch 1915-17 (Handschrift). 1918. - Dabei: Ders., Kriegserlebnisse.
Estimate:
€ 4,000 / $ 4,320
Sold:
€ 4,080 / $ 4,406

(incl. surcharge)
Koch, Rudolf, Kriegstagebuch 1915-1917. Deutsche, tlw. kalligraphisch verzierte Handschrift auf Papier. Offenbach, Weihnachten (bis 31. XII.) 1918. OHPgt. mit eigh. RTitel und Aquarellschmuck. 4to. 1 Bl., XII, 305 S.

Eigenhändiges Manuskript des Offenbacher Schriftkünstlers Rudolf Koch (1876-1934) mit fesselnden Schilderungen aus seiner dreijährigen Soldatenzeit im Ersten Weltkrieg. Aus Tagebüchern und Briefen zusammengetragen und rückblickend niedergschrieben, berichtet Koch von seiner Ausbildungszeit und den anschließenden Fronteinsätzen in Serbien, Frankreich und Rußland, und schildert trotz ausdrücklicher Begeisterung für das Soldatentum und Patriotismus die Grauen des Krieges ebenso wie die Anstrengungen und Eintönigkeiten des täglichen Soldatenlebens, die er als als beinahe vierzigjähriger, körperlich nicht kräftiger Mann auf sich nehmen mußte. - Nach seiner Grundausbildung als Grenadier wurde Koch von Oktober 1915 bis Januar 1916 nach Serbien abkommandiert, anschließend nahm er im Frühjahr 1916 bei der Schlacht um Verdun teil und erlebte dort erstmals den unmittelbaren Fronteinsatz. Nach einem längeren Lazarettaufenthalt bis 1917 wegen allgemeiner Erschöpfung und nach weiteren Einsätzen im Stellungskrieg in Frankreich und zuletzt im Baltikum und Rußland bis zum Herbst 1917 wurde er Anfang 1918 als nicht mehr felddienstfähig aus dem Heeresdienst entlassen. Seinen Bericht aus der Kriegszeit kann man als durchaus zwiehgespalten bezeichnen. So schildert Koch seine kaum nachlassende Begeisterung für die Disziplin des Soldatentums, dem "vielgeschmähten und beschimpften, in diesen Zeiten aufs tieffste verachteten und verkannten .. preußischen Kommiß" und die Kameradschaft unter den Soldaten, obwohl er als körperlich schwacher Mann oft eine Belastung und damit ein Ziel des Spottes und der Verachtung seiner Kameraden ist. Ebenso drängt ihn seine Unternehmungslust, Langeweile im Alltag und das Gefühl, nur als Soldat ein erfülltes Leben zu führen, an die Front, und hilft ihm, Angst und moralische Bedenken zu überwinden. "Es ist kein anderes Leben als das des Soldaten im Felde. Weil der Tod so nahe lauert, darum geht als ins Große und Starke. Abglanz, Schatten ist das Leben zu Haus, und die Tage schleichen dahin, blutleer." (Im Offenbacher Lazarett August 1916). Dennoch sieht Koch auch das ihn umgebende Grauen des Krieges vor allem in Frankreich, die zermürbende Zeit in den Schützengräben, wo das Warten auf die Aktionen des Feindes, Schlaflosigkeit, Hunger und Schutz vor Kälte, Regen und die Gefahr durch einstürzende Grabenwände die Soldaten mehr in Anspruch nimmt als das Kämpfen; dazu die ständige Bedrohung durch Artilleriefeuer, der Anblick der toten, tlw. grausam zugerichteten Kameraden wie auch die Leichen der französischen Gegner, und weiß dies eindrucksvoll und tlw. in geradezu poetische Worte zu fassen. - "Nun kamen die ersten Franzosenleichen. Niemals hatte ich und hatten auch andere so furchtbare Verstümmelungen gesehen .. Sie waren in der Nacht etwas zur Seite gelegt worden, nachdem die Leichenstarre schon eingetreten war, und ragten mit ihren wachsbleichen Gliedmaßen in die Luft wie Panoptikumfiguren. Es war eine Straße der Schrecken .." (Blancy, April 1917) - "Das lebhafte Kanonenschießen währte ununterbrochen .. auch ich hatte diese Melodie schon gehört, in schweren Traumzuständen, in die wir in den kurzen Stunden der Rast verfielen. Da vernahm ich oft diese seltsamen Töne, sie entstanden aus dem näheren und fernern Dröhnen, bald dumpfen Grollen, bald helleren Einschlägen der Geschosse. Es war nur während der Nachtstunden zu vernehmen . Dann zog mir öfter ein Gefühl durch die Seele, das ich in die gleichen Worte hätte kleiden können. Ich hörte diese Weltenmusik, es war eine seltsame, traurige, einförmige Melodie, eine gewaltige Klage erscholl durch das unglückliche Land über Freund und Feind hinweg. Man konnte sich schon vorstellen, daß sie den armen Toten galt, den abgeschiedenen Seelen. Und man glaubte, alle Verbissenheit und aller Haß wäre aufgelöst durch diese Töne .. Und die armen Soldaten kauerten in ihren Erdlöchern und träumten und glaubten einen Augenblick, aller Jammer und alles Elend sei vorüber." (Verdun, Mai 1916) - "Der Kaiser stand auf einer kleinen Erhöhung, umgeben von den Offizieren, dicht hinter ihm ein Bannerträger und ein Trompeter .. Als die Aufstellung beendet war, stieg er herunter, ein gewisser Glanz entfaltete sich, ein Rest von dem Schauspiel der Kaiserparaden früherer Zeiten. Aber selbst dieser Rest schien mir leer und unwahr, denn die schmutzigen grauen Soldaten in den abgeschabten Kleidern, den verbeulten und verkratzten Stahlhelmen duldeten keinen solchen Glanz von Tressen und blankem Metall neben sich. Ihr Heldentum war von so überzeugender, innerer Art, daß aller äußere Aufputz als Maskerade empfunden werden mußte." (Düna, September 1917) - Im Anhang auf S. 274-301 die Lieder, die Koch als Soldat mit seinen Kameraden auf den Märschen und am Lagerfeuer gesungen hat. - Einband gering berieben, mit Exlibris von Rudolf Koch auf dem vord. Innendeckel. - Insgesamt interessante und kalligraphisch ansprechende Handschrift. - Beilieg. 1 Exemplar der Druckversion des "Kriegstagebuches", die im Todesjahr Kochs 1934 vom Insel-Verlag Leipzig unter dem Titel Die Kriegserlebnisse des Grenadiers Rudolf Koch herausgegeben wurde. - 1 Graphik-Beigabe.

Autogr. manuscript by the Offenbach graphic artist Rudolf Koch (1876-1934) , with captivating accounts of his three-years of military service in WW I. Orig. half parchment with autogr. title and illustration on spine. 4to. 1 l., XII, 305 pp. - Binding slightly rubbed, with ex-libris of Rudolf Koch on front pastedown. - All in all an interesting manuscript with neat calligraphic elements. - 2 additions.




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Rudolf Koch
Kriegstagebuch 1915-17 (Handschrift). 1918. - Dabei: Ders., Kriegserlebnisse.
Estimate:
€ 4,000 / $ 4,320
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€ 4,080 / $ 4,406

(incl. surcharge)