Sale: 414 / Rare Books, May 19./20. 2014 in Hamburg Lot 89

 

89
Hermann Max Pechstein
Brief mit Zeichnung (12. Juni 1927)..
Estimate:
€ 5,000 / $ 5,400
Sold:
€ 6,000 / $ 6,480

(incl. surcharge)
Pechstein, Hermann Max, Maler und Graphiker, 1881-1955. Eigh. Brief m. U.Mit großer lavierter Federzeichnung . Rowe, 12. Juni 1927. 6 S. 4to. (29 : 22,5 cm).

Ausführlicher und biographisch bedeutender Brief an seinen Mäzen und Freund Dr. Walter Minnich, dem er seine frischen Eindrücke von seinem ersten längeren Aufenthalt in Rowe schildert. Der kleine Fischerort an der pommerschen Ostsee wurde für die nächsten 16 Jahre sein Paradies für schaffensreiche Sommermonate, nachdem sein geliebtes Nidden an der Kurischen Nehrung Litauen zugesprochen worden war.
"Heute ist Sonntag, und nach wie vor, ist es kalt, genau solch unfreundliches Wetter, wie die gesamte Zeit, welche ich nun hier oben an der Ostsee weile. So lächerlich, wie es klingt, ich friere ganz gehörig, und benutze bereits die warmen Wollsachen, welche ich für den Herbst mitgenommen habe. Doch trotz Sturm, Regen versuche [ich] in den Pausen zwischen den Regenschauern zu zeichnen, um mich mit der Landschaft vertraut zu machen. Es ist ein vergessenes Dorf, die Häuser zum Teil bis 130 Jahre alt, dachte nicht, daß es in gegenwärtiger Zeit, so etwas hier in Deutschland noch gäbe. Die Dächer sind mit Schilfrohr gedeckt. Das über meinem Haus befindliche ist seit 1900 gedeckt, und hat noch keine Reparatur bedurft, ganz abgesehen davon setzt sich dunkles Moos auf das Rohr, und schafft einen reichen Eindruck in den großen Flächen der Dächer. Ebenso alt sind zum größten Teil die Bäume, welche sich herrlich naturgewachsen entwickelt haben. Die Grundstücke liegen frei durcheinander, es giebt keine Straßen, und [es] ziehen sich die Häuser bis ganz nahe an die Dünen, ich selbst wohne in einem solchen, sodaß wir in Badeanzug vom Hause aus in die See gehen .. Leider bin ich noch nicht fähig zu malen, da ich ja immer längere Zeit brauche wie Sie wissen, um mich erst vollzusaugen mit dem Erlebnis. Darum auch mein erneutes Aufsuchen ein und desselben Ortes .. vielleicht ist es auch ganz gut, wenn ich hier allein an einem Ort sitze, wo ich mich mit Vielem auseinandersetzen kann, ohne gestört zu sein. Die Entwicklung, welche ich durchmache zwingt mich, wenn auch mit Energien, so doch auch mit Bedacht zu arbeiten und hoffe ich dafür später einmal die Früchte in einigen Arbeiten zu ernten, welche ihre Stärke in sich tragen, welche von Dauer sind .."
Pechstein hatte den in Montreux ansässigen Arzt und Kunstsammler Minnich bereits 1919 kennengelernt. Seit Anfang der zwanziger Jahre entwickelte sich zwischen beiden eine herzliche Künstlerfreundschaft, die in vielen Briefen nicht nur textlich, sondern auch - wie im dem vorliegenden Fall - zeichnerisch ihren Ausdruck findet. Die kräftige, fast holzschnittartige Zeichnung (Format ca. 15 : 22,5 cm) zeigt ein typisches Gehöft in Rowe mit den im Brief beschriebenen "naturgewachsenen" knorrigen Bäumen. Die Lavierung unterstreicht durch ihre Kontrastwirkung den herben Charakter der urtümlichen Umgebung und spiegelt wohl auch Pechsteins wechselhafte Stimmungslage wider.

Comprehensive and biographically relevant letter by Hermann Max Pechstein, painter and graphic artist, to his patron and friend Dr. Walter Minnich, in which he renders account of his latest impressions gained during his first stay in Rowy on the Baltic Sea. The small fishing village at the Pommeranian coast would become his creative summer retreat for the following 16 years, after his beloved Nidda on the Curonian Spit had been assigned to Lithuania.




89
Hermann Max Pechstein
Brief mit Zeichnung (12. Juni 1927)..
Estimate:
€ 5,000 / $ 5,400
Sold:
€ 6,000 / $ 6,480

(incl. surcharge)